Wissenschaftliche Grundlagen des Konzepts sind die neueren Erkenntnisse der Neurobiologie und der Sozialwissenschaften zur emotionalen und sozialen Entwicklung von Kindern. Untersuchungen der modernen Hirnforschung belegen auf eindrucksvolle Weise, dass es sich sehr auszahlt, wenn Erziehende viel Zeit und Energie auf die Förderung der emotionalen Intelligenz der Kinder verwenden. Die Ausbildung von sozialen Kompetenzen und emotionaler Intelligenz sind entscheidende Faktoren, um Kinder im u.a. im schulischen Bildungssystem erfolgreich sein zu lassen.
Der Begriff “emotionale Intelligenz” ist durch das gleichnamige Buch des amerikanischen Psychologen Daniel Goleman populär geworden. Goleman sieht die emotionale Intelligenz als eine übergeordnete Fähigkeit, von der es abhängt, wie gut Menschen ihre sonstigen Fähigkeiten, darunter auch den Verstand, zu nutzen verstehen. Nach Golemann kommt bei einer erfolgreichen Lebensbewältigung der emotionalen Intelligenz eine weitaus größere Bedeutung zu als der rationalen Intelligenz.
Fachautorin Charmaine Liebertz betont die Verantwortung der Eltern und anderer erwachsener Bezugspersonen bei der Entwicklung der emotionalen Intelligenz von Kindern:
“Das Kind kommt mit einer genetisch angelegten Schatztruhe auf die Welt, die sich in den ersten fünf Jahren mit nachhaltigen Erlebnissen und Erfahrungen aus Erziehung und Umwelt füllt. Diese Schätze sind nur schwer austauschbar, aber es liegt an uns, sie zu mehren und vor allem zum Glänzen zu bringen, also den Reifungsprozess des Kindes liebevoll, beschützend und lenkend zu fördern.”
Die Haupt-Rolle der Gefühle
Gefühle spielen immer mit – egal ob Kinder spielen, sich mit Freunden streiten, fernsehen oder lernen. Immer ist es wichtig, bewusst und kompetent mit seinen Gefühlen umzugehen. Davon hängt – so haben Wissenschaftler herausgefunden – entscheidend Erfolg, Glück und Gesundheit im Leben ab.
Ein Kind, das sich seiner Gefühle sicher ist, sich damit angenommen fühlt und weiß, wie es sich gut verhält, wenn es sich freut, und beruhigen kann, wenn es wütend, traurig oder ängstlich ist, gilt als “emotional intelligent”.Es hat gute Chancen, ein selbstbewusster Mensch zu werden, der sich gut in andere hineindenken und Kontakte zu anderen knüpfen kann. Ein solches Kind hat es auch leichter beim Lernen.
Emotionale Intelligenz ist erlernbar
Emotionale Intelligenz ist nicht messbar, aber erlernbar. Und dabei spielen die Eltern eines Kindes eine wichtige Rolle. In der emotionalen Entwicklung ist die stabile Bindung zur Mutter und anderen nahen Bezugspersonen das Wichtigste.
Dazu gehört in den ersten Jahren viel Körperkontakt durch Kuscheln, Schmusen und Toben.Dieses Urvertrauen ermöglicht es dem Kind, seine Gefühle wahrzunehmen und später auch zu benennen. Es ist für Kinder existenziell wichtig, zur Mutter oder zum Vater kommen zu können, wenn es Angst hat oder traurig ist. Genauso muss es erlaubt sein, dass sein Kind seine Wut äußert.
Damit sich das Kind mit seinen Gefühlen angenommen und geliebt fühlt, ist es wichtig, dass die Eltern seine Gefühle unbedingt respektieren – egal ob sie sie im Moment nachvollziehen können oder nicht.
Viele Eltern nehmen die Gefühle ihrer Kinder nicht ernst – meist aus Versehen und ohne böse Absicht. Viele Eltern wollen ihre Kinder vor unangenehmen Gefühlen wie Wut, Angst oder Trauer schützen und benutzen deshalb lapidare Floskeln wie “Ach, das wird schon alles wieder gut”. Aber solche Bemerkungen können das Kind verunsichern und an seiner eigenen Wahrnehmung zweifeln lassen – schließlich tut ja im Moment etwas weh oder das Kind ist traurig. Wenn die Eltern ihm diese Wahrnehmungen auszureden versuchen, ist das wenig hilfreich. Besser ist es, wenn die Eltern ihr Verständnis äußern und dem Kind bei diesem unangenehmen Gefühl zur Seite stehen.
Wer mit Kindern und ihren Gefühlen hautnah zu tun hat, sollte sich immer auch mit seinem Umgang mit den eigenen Gefühlen auseinandersetzen, empfehlen Experten. Sinnvoll ist das sowohl für Eltern als auch für andere Bezugspersonen wie zum Beispiel Erzieher*innen oder Lehrer*innen. Wer selbst nicht gelernt hat, seine Gefühle wahrzunehmen, bekommt leicht Schwierigkeiten mit den Gefühlen der Kinder, wird vielleicht wütend oder traurig und kann nicht offen mit dem jeweiligen Kind umgehen.
Wie können Kinder Emotionen handhaben?
Wenn Kinder ihre Emotionen gut wahrnehmen und ausdrücken können, ist der nächste Schritt zur emotionalen Intelligenz nach dem amerikanischen Psychologen Goleman, mit seinen Emotionen angemessen umgehen zu lernen. Charmaine Liebertz beschreibt, dass Kinder lernen müssen, wie sie “Wut und Zorn deeskalieren, sich abregen, zornige Gedanken in Frage stellen und neu bewerten; Sorge und Angst durchbrechen, ihre Ursache erkennen und eine kritische Haltung einnehmen können; Melancholie und Trauer akzeptieren und vermeiden können, dass sie zu Depression eskalieren.”
Nach Goleman können Kinder, die das gelernt haben, sich viel schneller von bedrückenden Gefühlen befreien und sich so von Rückschlägen und Aufregungen des Lebens erholen. Um das zu schaffen, braucht ein Kind Erwachsene, die seine Gefühle akzeptieren, ihm aber dennoch Grenzen setzen und ihm so helfen, mit diesen heftigen Gefühlen zurechtzukommen.
Wenn ein Kind wütend darüber ist, dass ein Kind auf dem Spielplatz vor ihm auf der geliebten Schaukel sitzt, sollten Eltern mitfühlend sein und dem Kind zum Beispiel sagen “Ich kann verstehen, dass Du sauer bist”. Sie sollten es aber nicht zulassen, dass ihr Kind den Schaukel-Gegner direkt zu Boden wirft. Für Kinder ist der Unterschied zwischen Gefühl und Handlung entscheidend. “Es ist wichtig für Kinder zu verstehen, dass nicht ihre Gefühle ein Problem darstellen, sondern gelegentlich der Umgang damit”, so der Psychologe John Gottman. Kinder brauchen auch die Unterstützung ihrer Eltern, wenn sie ängstlich oder traurig sind. Sie brauchen die Möglichkeit, ihre Gefühle zu entladen – also zu weinen oder auf ein Kissen zu schlagen. Sie benötigen aber auch den Zuspruch der Mutter oder des Vaters, die ihnen Sachverhalte erklären oder ihnen Mut zusprechen.
Um die Emotionen später für sich selbst und für andere befriedigend in die Tat umzusetzen, muss das Kind lernen, seine Impulse zu steuern (zum Beispiel mit den Süßigkeiten noch etwas warten oder beim Spielen auch mal verlieren lernen).
Außerdem braucht das Kind die positive Grundeinstellung zum Leben. Eltern können ihre Kinder in diesem selbstbewussten Umgang mit dem Leben unterstützen, indem sie sie – je nach Alter – möglichst viele kleine Alltagsprobleme selbst lösen lassen: die Telefonnummer des Freundes selbst wählen, mit dem Messer das Brot zerschneiden oder den Kuchenteig alleine rühren.
Zum guten Umgang mit den eigenen Gefühlen gehört es darüber hinaus auch, sich in andere Menschen hineinversetzen zu können und angemessen darauf zu reagieren. Eltern können sie dabei unterstützen, indem sie liebevoll über ihre eigenen Gefühle sprechen, sie dazu ermutigen, auf andere Kinder zuzugehen und sich selbst und die anderen in ihren Gefühlen zu respektieren. Gruppenspiele fördern diese Fähigkeit, in denen sich Kinder zum Beispiel gegenseitig ihre Herzenswünsche erzählen, Doppelgänger spielen oder mal eine Zeit lang in den Schuhen eines anderen laufen und so lernen, sich in ein anderes hineinzuversetzen.
Entnommen aus: http://www.wdr5.de/sendungen/lebensart/manuskript/la-060220_kinder_und_gefuehle.pdf
Soweit die Ausführungen aus der WDR 5-Sendung zu diesem Thema. Für das konkrete Konzept des Kurses “Handwerkszeug für Kinder” wurden diese wissenschaftlichen Erkenntnisse methodisch-didaktisch in 8 Bausteine umgesetzt.